Der König ist tot, es lebe der König

Nun habe ich sie gelesen, die Lebensgeschichte des Henri IV., König von Frankreich und Navarra, gelebt von 1553 bis 1610. Ermordet von François Ravaillac am 14. Mai in der Rue de la Ferronnerie vor dem Haus Nr. 11.

Ich habe lange an den zwei Bänden gelesen, die zusammen ungefähr 1600 Seiten haben. Weniger die Länge als der (gewollt) altmodische Stil erschwerten mir manchmal das Verständnis und waren damit ein Grund für das langsame Vorankommen.

Der Roman von Heinrich Mann hat mich sehr beeindruckt, nicht nur weil ich vordem über Henri IV. so gut wie nichts wusste, sondern auch, weil hier – und das ist sicher der Punkt, der Heinrich Mann besonders am Herzen lag – der Frage nachgegangen wird; was macht einen Staatsmann zu einem großen (guten) Staatsmann, der auch vor der Geschichte Bestand hat.

Eine Antwort darauf legt Heinrich Mann Henri IV. auf den letzten Seiten selbst in den Mund:

„Ich habe meine Stunden der Größe gehabt. Doch was heißt das: groß sein? Die Bescheidenheit besitzen seinesgleichen zu dienen und dabei über sie hinauszuwachsen. Prinz vom Geblüt und Volk bin ich gewesen. Ventre saint gris, man muß das eine und das andere sein, will man nicht Gefahr laufen, ein mittelmäßiger Hamsterer nutzloser Staatsgroschen zu bleiben.“

In einer letzten Ansprache lässt Heinrich Mann Henri IV. sich von einer Wolke herab an die Nachgeborenen wenden. Der scheinbare Abstand der Jahrhunderte, der uns vielleicht sagen lässt – was geht mich ein französischer König des 16./17. Jahrhunderts an – schmilzt, wenn man erkennt, die Zeit ist eine Sache der Lebenden:

„Schaut mir in die Augen. Ich bin ein Mensch wie ihr; der Tod ändert nichts daran und auch nicht die Jahrhunderte, die uns trennen. Ihr haltet euch für erwachsene Leute, weil ihr einer Menschheit angehört, die dreihundert Jahre älter ist als zu meinen Lebzeiten. Doch für die Toten – gleichviel ob sie seit langem tot sind oder erst seit gestern – ist der Unterschied gering. Ganz abgesehen davon, daß die Lebenden von heute abend die Toten von morgen sind.“