An Fichtes Wiege

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„In diesem Schlosse entschied sich einst Fichtes Geschick. Freiherr Ernst Haubold von Miltitz – der Freund Gellerts und Vater und Onkel jener Miltitze, deren Schlösser Siebeneichen und Scharfenberg den Romantikern Novalis und Fouqué zur geistigen Heimstätte wurden – weilte damals als Gast des Grafen von Hoffmannsegg im Rammenauer Schloss. Infolge seiner verspäteten Ankunft versäumte er die Predigt des Pfarrers Diendorf, die er gerne hören wollte. Als er das Versäumnis bedauerte, sagte man ihm, halb im Scherz, daß ein Junge, der Sohn eines Bandwirkers, im Dorfe sei, der das Talent habe, eine gehörte Predigt wiederzugeben. Miltitz ließ den Knaben rufen, und der kleine Johann Gottlieb Fichte kam, im leinenen Kittel, mit einem Blumenstrauß, und sprach dem Grafen und der Gesellschaft, diesen und jene fast vergessend, die Predigt vor. Der Knabe sprach, von innerem Feuer durchleuchtet, vom Zuströmen der Gedanken bewegt, bis ihn der Hausherr unterbrach, weil ihm die ernsten Gegenstände der Predigt wenig in die fröhliche Stimmung der Gesellschaft zu passen schienen. Vielleicht auch, weil es ihn seltsam beirrte, seine Gäste von einem achtjährigen Gänsejungen derart bezwungen zu sehen.

Diese merkwürdige Stunde entschied über Fichtes Zukunft. Miltitz, auf den dieser Vorgang einen tiefen Eindruck gemacht hatte, holte den Sohn des armen Bandwebers auf sein Oberauer Schloß und ließ ihn die Meißner Stadtschule, später aber die Fürstenschule Pforta bei Naumburg besuchen.“

Aus Edgar Hahnewald, Sächsische Heimatbilder, An Fichtes Wiege

Ein Gedanke zu “An Fichtes Wiege

  1. Dies ist sie, die Geburtsstätte des Ich, das sich das Nicht-Ich hinzudachte und mit Reflexionsphilosophie für frühromantische Furore sorgte!?! :) Schönes Bild.

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