Heute in der Sonne sitzend die Ereignisse der dritten Nacht nochmals reflektiert: Gegen Morgen gerade in einem anderen Geschoss gewesen als ein dumpfes Geräusch zu hören war. Ein typisches Fallgeräusch.
Nach einiger Suche den Verursacher gefunden. Eine Neunzigjährige war umgefallen, zuerst mit dem Kopf auf die Kante der Kommode dann auf den Boden. Bei meinem Eintreffen stark aus einer klaffenden Kopfwunde blutend, die linke Gesichtshälfte im Nu ein einziges Hämatom mit rotem Zombi-Auge darin. Auf dem Boden ein schnell größer werdender Blutfleck. Hundert Prozent Adrenalin in meinem Körper von jetzt auf gleich. Müdigkeit weg, Kopfschmerzen weg. Eine Erstversorgung improvisiert, garantiert unsteril. Dann Anruf in der Rettungsleitstelle, Krankenwagen war schnell da, Oma aufgeladen und ab ins Krankenhaus.
In der darauffolgenden Nacht war sie wieder da. Frisch genäht, das Gesicht vollkommen blau, das linke Auge geschwollen. Meinen Engel, meinen Retter nennt sie mich. »Ich geb dir was!«, sagt sie immer wieder. Gerührt von der Dankbarkeit der alten Frau.
Trotz aller müd-wirr-vergeblichen (Alb-)Träume siegt das Tun und die Wirkung simpler, zutiefst menschlicher Gesten und des Handelns.
(Fallgeräusch lesend höre ich es, nie vergessend, als sich vor vielen Jahren eine Frau vom Hochhaus stürzte und ich kurz zuvor ahnungslos unter ihrer Verzweiflung vorbei lief.
Viele sprangen wegen Vereinsamung vom Dach, doch auch der Einbau einer Sicherheitstür brachte sie einander nicht näher)
Schön, wenn man (vielleicht wieder) in diesem hohen Alter lebensdankbar ist.
Und Dir!
held des alltags, ich frag mich immer wie ich reagieren würde…
@baum
auch ohne Mitarbeiter in solch einer Einrichtung zu sein, ist es wohl ein tief verankerter Reflex, der Einem (zum Glück) keine Zeit für Fragen lässt.
gan gewiss ist das so, ich habs zum glück noch nie gebraucht…
Man funktioniert einfach trotz der Adrenalinwelle. Ich finde das nach einigen solcher Erlebnisse sehr beruhigend. Viel schwieriger als so offensichtliche Fälle wie den obigen finde ich allerdings jene, die zunächst unspektakulär zu verlaufen scheinen und dann in der weiteren Folge zu Komplikationen führen.
Wo ich wirklich Probleme hätte, zu entscheiden, was richtig oder falsch ist, wären Vorfälle, wo alte bzw. kranke Menschen in suizidaler Absicht versuchen, sich das Leben zu nehmen und ich das Pech hätte vor Eintreten des beabsichtigten Erfolges den Tatort zu betreten. Ich glaube, dann wäre ich wirklich gelähmt, weil hin- und hergerissen zwischen dem Impuls zu helfen und dem Impuls dem Menschen seinen Willen zu lassen.
Die Oma hat übrigens wirklich Nehmerqualitäten, sie sieht aus wie ein Fantomas mit grauen Haaren und ist vollkommen fidel.
schön das sie es überstanden hat und wohl auch wollte!
und dich kann ich gut verstehen…
In dem Fall war es ja wirklich nur ein Unfall. Und Kopfverletzungen bluten immer „wie Sau“, auf den ersten Blick sieht es dann häufig dramatischer aus als es letztlich ist. Genau weiß man das aber immer erst später, die Oma hätte sich auch gut das Genick brechen oder zumindest ein veritables Schädel-Hirn-Trauma davontragen können. Glück gehabt.