Hier wären die Menschen kalt, sagt die rumänische Kollegin. Sähe sie ihre Nachbarin drei Tage nicht, so klopfe sie an ihre Tür und frage, wie es ihr geht. Die Menschen hier interessiere das nicht. Und ganz langsam würde auch sie kalt.
3 Gedanken zu “Anpassungsleistung”
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Leider kann ich das nur bestätigen und trotzdem bemühe ich mich um eine gute Nachbarschaft. Die meistens ebenso freundlich dann erwidert wird.
Ansichtssache … oder präziser: Eine Frage des eigenen Wesens.
Für mich wäre das störend bis stressig, wenn meine Nachbarn bei mir vorbeischauen würden, nur weil sie mich eine Weile nicht gesehen hätten. Und was sind schon drei läppische Tage (Abende eher), um sich von der sozialen Welt da draußen zu erholen?
Außerdem hätten meine Nachbarn dann viel zu tun – so viel Anpassungsleistung kann ich nämlich selbst mit gutem Willen gar nicht beruflich und dann noch privat mit den Nachbarn betreiben ohne mein eigenes Wesen zu verleugnen und zu verbiegen (wofür ich zudem einen gesundheitlichen Preis zahlen würde).
Bei gesundheitlich sehr angeschlagenen bzw. betagten Menschen kann ich die Sorge der Nachbarn dagegen schon eher verstehen. Mal vorausgesetzt diese Menschen würden sich nicht am Kontrollblick der Nachbarn stören.
Aus meinen (nicht sehr umfangreichen) Erfahrungen in Rumänien kann ich das bestätigen. Allerdings hatte ich auch immer das unbestimmte Gefühl, dass diese Form der Mitmenschlichkeit und der Fürsorge eine Art ausgleichende Funktion hat. In Rumänien gibt es ein unfassbares Spektrum an Lebenswirklichkeiten, gerade was Armut angeht. Diese sind mitunter auch nicht so weit voneinander entfernt. Offensichtlich obdachlose Kinder durchsuchen Mülleimer nach Essen und in drei Minuten Fußweg ist man in einer schickeren Einkaufspassage. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal sehr junge Prostituierte am Straßenstrich sah und keine fünf Minuten später stand ich in einem prunkvollen Gottesdienst. Gerade die orthodoxen Gottesdienste sind Orte, an denen irgendwie alle zusammenkommen – die Anzugträger, die Durchschnittsfrau, die halb Erfrorenen. Und wenn man dann mal aus der Stadt rausfährt und die Situation in manchen ländlichen Gegenden sieht – Romalager, Wellblechhütten, dazwischen Villen – fühlt man sich irgendwie zwischen Welten hin- und her geschleudert. Das kann man schlecht beschreiben … jedenfalls hatte ich immer das Gefühl, dass diese Fürsorge im eigenen Zirkel die Menschen irgendwie beisammen hält und dass ihnen das eine gewisse Sicherheit gibt, selbst nicht vergessen zu werden, wenn man an andere denkt.
Eine Bekannte, die später auch nach Rumänien auswanderte, beschrieb mir das ähnlich. Die Gemeinschaft schützt einen vorm Fallen. Wenn man in Rumänien fällt und erstmal irgendwie draußen ist, ist man draußen. Und für die, die draußen sind und leben, gibt es diese Mitmenschlichkeit nicht mehr. Nur noch in Form von Almosen, wenn man Glück hat …