Überdruß

Die Arbeitsstelle raubt mir Kraft und Zeit für das Wesentliche, sie verschafft mir Geld, sonst nichts. Das reicht auf Dauer nicht. Aber viel zu erschöpft, eine Bewerbung zu schreiben und den Lebenslauf auf Vordermann zu bringen und vor allem, in einem Bewerbungsgespräch so zu tun, als interessierte ich mich für die neue Arbeitsstelle. Bei der Vorstellung auf Personalerphrasen, wie: »Warum möchten Sie gerade in unserer Firma arbeiten?« oder »Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?« antworten zu müssen, dreht sich mir der Magen um. Es ist ganz einfach, ich brauche das Geld und will ansonsten meine Ruhe, Karriere interessiert mich nicht.

Gestern als Chauffeur in eine Geburtstagsfeier geraten und wieder vollkommene Unfähigkeit Smalltalk betreiben zu können festgestellt. So sitze ich eben da, sehe mir die Salatschüsseln an, spiele mit der Katze und lasse meine Gedanken wegdriften. Werde wahrscheinlich wahlweise für verklemmt oder arrogant gehalten.

Cordon sanitaire

Es gibt einen unsichtbaren Kreis um meine Arbeitsstelle. Ich möchte den Radius mit 5 Kilometern angeben. Nähert man sich von außen und überschreitet die Grenze, setzt sofort ein deutliches Unbehagen ein. Dieses Unbehagen steigert sich, je mehr man sich der Arbeitsstelle nähert. Es erreicht seinen Gipfel, wenn man die im Zentrum des Kreises sich befindende Arbeitsstelle erreicht. Dort ist das Unbehagen so groß, dass man schier betäubt davon ist. Und das ist vielleicht das Beste daran.

Mit jedem Meter, den man sich von der Arbeitsstelle entfernt, nimmt das Unbehagen ab. Überschreitet man die unsichtbare Grenze, dessen Radius ich mit 5 Kilometern angebe, ist es verschwunden. Ich bin sehr dankbar dafür, deutlich weiter als diese 5 Kilometer von der Arbeitsstelle entfernt zu wohnen.