Auf dem Friedhof

Heute die Beerdigung meiner Tante. Kurze Feierstunde im kleinen Rahmen ohne großes Brimborium. Trotzdem etliche Leute da, die meisten kenne ich gar nicht. Die Chefin des Bestattungshauses jedoch ist eine alte Bekannte; ich habe ihr schon viel Kundschaft gebracht. Sie nickt mir freundlich zu. Wir haben schließlich so was wie eine Geschäftsbeziehung.

Mir wird wiederholt bewusst, dass ich zu viel mit Alter, Sterben und Tod zu tun habe. Dass ich einen Hang zu einzelgängerischem Verhalten aufweise, welches durch die Dauernachtdienste (gewollt) noch verstärkt wird. Ich drifte langsam ins Absonderliche ab. Das ist nicht gut. Ich bin zu müde und lethargisch, was das Erhalten bzw. überhaupt das Herstellen von normalen Sozialkontakten angeht. Mich drängt es auch nicht sonderlich danach. Es ist alles so anstrengend und laut und grell da draußen. Trotzdem würde ich gerne mal wieder eine Frau kennenlernen. Aber ich weiß gar nicht mehr wie das geht und das aufgeblasene Gebalze, was man bei anderen so beobachten kann, ist so unglaublich lächerlich und mir vollkommen wesensfremd.

 

Endstation

Gleich wenn man den Friedhof betritt, steht vorne rechts die neue Stele eines Gemeinschaftsgrabes. Die ersten beiden Namen, die darauf stehen gehören Leuten, die im neuen Pflegeheim gestorben sind. Es waren mit die ersten Toten des neu eröffneten Hauses. Das irritiert mich immer wieder, wenn ich den Friedhof besuche, obwohl inzwischen etliche weitere dazu gekommen sind.

Nekropole

„Und dann bin ich gern auf Friedhöfen, weil sie für mich gewaltige, ungeheuer bevölkerte Städte sind. Denken Sie nur, wie viele Menschen auf dem kleinen Raum ihre letzte Ruhe gefunden haben, denken Sie an die Generationen von Parisern, die dort wohnen, für immer, endgültig unter der Erde, eingeschlossen in kleine Grabgewölbe, in kleine, mit einem Stein bedeckte oder einem Kreuz bezeichnete Erdlöcher – und wieviel Platz wollen die Lebenden um sich haben, wie laut sind sie, diese armseligen Toren!“

Guy de Maupassant, Friedhofsbesuche

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