Nachts einige Berichte auf der Plattform #mywar gelesen, die persönliche Erlebnisse von Ukrainern seit dem 24. Februar sammelt. Sehr zu empfehlen.
Krieg
Vom Kriege
Immer wieder beeindruckt mich die MASH-Episode, in der Dr. Winchester wie gewohnt von sich selbst begeistert einem Verwundeten berichtet, wie er durch sein überragendes Können dessen schwer verletztes Bein vor der Amputation gerettet habe. Die rechte Hand des Verwundeten allerdings werde durch eine Beschädigung der Nerven in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt bleiben, was im Alltag aber nicht weiter auffiele. Großen Dank erwartend ist Dr. Winchester zutiefst bestürzt als er hört, dass dem verzweifelten Verwundeten sein Bein völlig egal ist, seine Hände hingegen sein Leben bedeuten, denn er ist Konzertpianist.
Die Verzweiflung des Verwundeten zu sehen, holt Dr. Winchester von seinem hohen Ross herunter und setzt ihm unglaublich zu. Er will dem Verwundeten eine Perspektive aufzeigen, dass seine überragende Begabung auch mit dem Verlust der Fingerfertigkeit der rechten Hand nicht verschwunden sei, sondern es auch in dieser Situation einen Weg gäbe. Er erzählt ihm von dem Pianisten Paul Wittgenstein, der im 1. Weltkrieg seine rechte Hand verlor und trotzdem als Pianist weiter arbeitete und besorgt die Notenblätter zu Ravels Klavierkonzert für die linke Hand, welches dieser für Wittgenstein schrieb …
WeiterlesenSpaziergang
Am Straßenrand trottet mir in Grenznähe ein von der Polizei noch nicht entdecktes Grüppchen frisch eingetroffener Südländer entgegen. Sie wollen vermutlich und frecherweise in ihrem aktuellen heimischen Krieg nicht umkommen. Ein paar Kilometer weiter sucht im Wald der Kampfmittelräumdienst die Hinterlassenschaften des letzten hiesigen Krieges zusammen und kennzeichnet die zahlreichen Fundstellen mit Stöckchen und rotem Flatterband.
Hoffnungslos
Ein Mann – dick und alt und hässlich, geistig von Geburt nicht ganz auf der Höhe – weint seit drei Nächten still vor sich hin. Hat sich aussichtslos verliebt in eine Pflegerin. Vielleicht das erste Mal in seinem Leben. Er tat mir immer schon leid, obwohl wir ihn auch gerne ein bisschen ärgern, wegen seiner skurrilen Art. Ich hab versucht, es dabei nie zu übertreiben. Er ist ein ganz armer Hund.
Als Jugendlicher beim Bombenangriff 1945 in Dresden verschüttet, ausgegraben worden, die ganze Familie tot. Aufs Land verschickt auf einen Bauernhof zum arbeiten. Immer allein gelebt, keine eigene Familie gegründet. Er hat bis heute panische Angst vor der Badewanne, hängt vielleicht mit seinen Jugenderlebnissen zusammen. Und jetzt eine große Liebesgeschichte aus der auch nichts wird. Ein ganz armer Hund eben.
Zwischenspiel
„Ich las, aber kein Buch brachte mir Deutungen und Zeichen. Ich schrieb, aber Worte und Gedanken verwirrten sich, blieben farblos und ohne Gestalt. Ich hörte das Requiem von Johannes Brahms: des Menschen Fleisch, es ist wie Gras und wie des Grases Blumen, das Gras ist verdorret, und die Blume ist abgefallen – aber Musik vermehrte nur meine Trauer um eine verlorene Welt.“
Reese im Frühjahr 1943 nach Verwundung auf Genesungsurlaub in der Heimat und vor erneutem Einsatz an der Ostfront.
Willy Peter Reese, Mir selber seltsam fremd, Russland 1941-44