Film oder Realität oder Film

Gestern wieder einmal „Lost in Translation“ gesehen. Einsamkeit und Verlorenheit, die einem in einer fremden, unverständlichen, gar rätselhaften Umgebung erst richtig zu Bewusstsein kommen…

Habe seit einiger Zeit den Eindruck, dass L. und ich das im Kleinen in einem einzigen Haus in der Version „Lost in Corona“ nachspielen. Sie ist 19 und arbeitet auf der Isolierstation, ich bin 47 und arbeite im ganzen Haus. Sie hat meistens Tagdienst, ich immer Nachtdienst jetzt häufig wieder in der 12 Stunden Variante. Wir haben uns ewig nicht gesehen, wir telefonieren nur lange, früh wenn sie kommt und abends wenn sie geht. Sie hält sich erstaunlich gut zwischen all dem Tod und Verderben. Zwischen L. und mir hat sich eine Vertrautheit entwickelt, die ich gar nicht für möglich gehalten hätte. Ihr Durchhalte- und Einfühlungsvermögen beeindrucken mich.

„Lost in Translation“ – ein schöner Film. Gute Szenen, Charaktere glaubhaft dargestellt, gelungene Improvisationen.

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Alltag

L. trägt immer eine Notfalltüte mit sich herum, um bei auftretenden Panikattacken mit Hyperventilation gerüstet zu sein. Bereits leichte Nervosität, wenn sie diese beim ersten Kontrollgriff nicht sofort findet. S. wurde wieder mit mehr als 2 ‰ Alkohol im Blut erwischt, mittags. Frühdienst bis dahin gut gemeistert. H. will sich woanders bewerben. Hat die Nase voll von endlosen Überstunden und der ewigen Einspringerei.

Zeit

P. hat einen kleinen Jungen bekommen. L. erscheint mir in ihrer Verrücktheit fast normal. H. ist wieder sehr anschmiegsam. Ich fühle mich alt und schwach und verschwende Energie darauf stark und vital zu erscheinen. Nichts ist erreicht und die Zeit läuft mir davon.

Krank

L. – auch so ein kaputtes Mädchen – ist jetzt in einer Tagesklinik, um ihre Panikattacken in den Griff zu bekommen und ihren ausufernden Tablettenkonsum. Sie frisst Tavor wie andere Bonbons. Und nicht etwa, dass sie ihr dauerhaft etwas gebracht hätten außer Abhängigkeit.

Sie fuhr vor kurzem mit dem Auto an mir vorbei als ich auf Fototour war. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich gesehen hat. Ich wollte sie anrufen, wußte aber nicht, was ich sagen soll: Gute Besserung!, Komm bald wieder!, Ich vermisse dich!, Wie geht es deinen Möpsen*?

* Sie hat tatsächlich zwei dieser komischen Hunde.