Alleinsein

„›Die Menschen, die einen neuen Menschen machen, nehmen doch eine ungeheure Verantwortung auf sich. Alles unerfüllbar. Hoffnungslos. Das ist ein großes Verbrechen, einen Menschen zu machen, von dem man weiß, daß er unglücklich sein wird, wenigstens irgendwann einmal unglücklich sein wird. Das Unglück, das einen Augenblick lang existiert, ist das ganze Unglück. Ein Alleinsein erzeugen, weil man nicht mehr allein sein will, das ist verbrecherisch.‹“

Thomas Bernhard, Frost

Folgerichtigkeit

„›Meine Zeit ist vergangen, so wie eine Zeit vergeht, die man nicht haben will. Ja, ich habe meine Zeit nie haben wollen. Die Krankheit ist die Folge der Interesselosigkeit an meiner Zeit, der Interesselosigkeit, der Arbeitslosigkeit, der Unzufriedenheit. Die Krankheit ist ja gerade da aufgetreten, wo nichts mehr war … meine Untersuchungen sind stehengeblieben, auf einmal habe ich gesehen: nein, diese Mauer übersteige ich nicht! Das war so: ich mußte einen Weg finden, den ich noch nicht gegangen bin … Die Nächte waren schlaflos, stumpf, grau … manchmal bin ich aufgesprungen: und sah langsam alles Erdachte falsch werden, wertlos werden, alles wurde nacheinander, folgerichtig, wissen Sie, sinn- und zwecklos … Und ich entdeckte, daß die Umgebung nicht haben will, daß man sie aufklärt.‹“

Thomas Bernhard, Frost

Bemerkungen

„Unsicherheit sei es, welche Menschen zu großen Leistungen ansporne, durch welche Menschen, die eigentlich zu nichts geschaffen seien, zu allem fähig würden. Die Helden seien aus der Unsicherheit hervorgegangen. Also aus einem Angstzustand, aus Furcht, aus Verzweiflung.“

Thomas Bernhard, Frost

Verdopplung

„Das sogennante ideale Zusammenleben sei eine Lüge, da es das sogenannte ideale Zusammenleben nicht gibt, habe auch niemand ein Recht auf ein solches, in eine Ehe gehen heiße wie in eine Freundschaft gehen, den Zustand doppelter Verzweiflung und doppelter Verbannung ganz bewußt auf sich nehmen, aus der Vorhölle des Alleinseins in die Hölle des Zusammenseins gehen. Und ganz zu schweigen von ihrer beider Zusammensein. Denn die doppelte Verzweiflung und doppelte Verbannung zweier intelligenter Menschen, zweier, die sich alles durch den Verstand letzten Endes doch, wenn auch nicht immer, so doch zeitweilig vollkommen klar bewußt machen können, sei eine doppelte doppelte Verzweiflung und doppelte doppelte Verbannung.“

Thomas Bernhard, Das Kalkwerk

 

Glaube

„Manche glaubten, dadurch, daß sie ihren Kopf mit Phantasie bevölkerten, gerettet werden zu können, aber kein Mensch und also kein Kopf könne gerettet werden, da sei ein Kopf und dadurch, daß dieser Kopf da sei, sei er rettungslos verloren, lauter verlorene Köpfe bevölkerten lauter verlorene Körper auf lauter verlorenen Kontinenten, soll Konrad zu Fro gesagt haben.“

Thomas Bernhard, Das Kalkwerk