Meine kleine Friseuse fragte mich vor kurzem, ob es mir nichts ausmache, wenn mir immer wieder Leute sterben würden. Ich habe das mit „Nein“ beantwortet, was sachlich richtig ist. Dennoch ist diese Auskunft unzureichend. Nicht das Sterben von Menschen in meiner Verantwortung macht mir etwas aus, sondern die zum Teil würdelosen Begleitumstände sind es – und diese verdränge ich um weiter funktionieren zu können. Klappt noch ganz gut.
Sterben
Immer so weiter
Und wieder ist ein Tagesgast über den Styx gesetzt. Die Angehörigen sind Tag und Nacht bei ihm gewesen. Sie waren etwas seltsam aber es ist nicht an mir den individuellen Umgang der Angehörigen mir ihrem sterbenden Verwandten zu kommentieren. Habe kein Sendungsbewusstsein und keinen Erziehungsauftrag. Die ruhigen und stillen sind mir naturgemäß lieber als die hysterischen oder esoterischen Familienmitglieder. Aber man muss nehmen was kommt.
Endspurt
Wieder ein neuer Tagesgast, so nenne ich für mich die Palliativpatienten wegen ihres so schnellen Verfalles, diesmal: Pankreaskopfkarzinom mit fortgeschrittener Metastasierung. Ein netter Mensch, der weiß was auf ihn zukommt. Und dann ist da noch der unheimlich fette Patient, ein wirklicher Unsympath, der dem Ende entgegen fault und auf seine Sepsis wartet. Niemand kann ihn leiden. Doch immer zutraulicher und freundlicher wird er mir gegenüber, je schlechter es ihm geht. Ich kann seine Angst vor dem bevorstehenden jämmerlichen Ende erkennen. Nicht einfach ihm wenigstens ein Fitzelchen Würde zu erhalten. Ich kann damit umgehen. Für den Fall, dass dies einmal anders wird, sollte ich jedoch ein kleines Budget für Nutten und Schnaps zurück behalten.
Alles so schön hier
Nicht nur rechtschaffen müde, sondern vollkommen erschöpft nach acht zehn- bzw. zwölfstündigen Nachtdiensten, in denen gefühlt unablässig gestorben oder durchgedreht wird. Dabei sind mir die Sterbenden viel lieber als die wahnhaften Psychotiker, sie schreien wenigstens nicht die ganze Zeit. Ich kann Geschrei kaum ertragen. Adäquat versorgen kann ich keine der genannten Gruppen.
Gegen gesundheitliche Probleme im Alter empfehle ich mittlerweile ungerührt einen Tod spätestens in den mittleren Jahren. Hundertprozentige Prophylaxe ist möglich. Oder als Alternative für die Zögerlichen eine Neuauflage des T4-Programmes. Natürlich ist das Käse, ich bin nicht halb so abgebrüht wie ich vorgebe zu sein. Aber meine Verdrängungsfähigkeit kommt an ihre Grenzen. Wenigstens habe ich über Weihnachten frei, das hatte ich seit Jahren nicht.
Alles gut
Wieder einmal nachts einen Ehemann angerufen und ihm mitgeteilt, dass seine Frau verstorben ist. Routiniert in diesen Abläufen mittlerweile. Sie war noch nicht einmal besonders alt. Mit dem Tod und den Toten keinerlei Berührungsängste, unerträglich und empörend allerdings die abwesende Pflege und Betreuung als sie noch am Leben waren. Wortreich und blumig dargestellte Fake-Pflege zu stark überhöhten Preisen ist das was stattfindet. Weiß jeder, könnte jeder wissen. Interessiert keinen oder nur für die Zeit, in der die eigene Verwandschaft betroffen ist. Ein guter Kommentar, der es im Wesentlichen auf den Punkt bringt. Aber wie gesagt, es interessiert keinen.