Gebildete Schwätzer

»Wenn ein einfacher Mensch spricht, ist das eine Wohltat. Er redet, er schwätzt nicht. Je gebildeter die Leute werden, desto unerträglicher wird ihr Geschwätz. Ich richte mich ganz aus nach diesen Sätzen. Einem Maurer, einem Holzfäller können wir zuhören, einem Gebildeten oder einem sogenannten Gebildeten, denn es gibt ja doch nur sogenannte Gebildete, nicht. Leider hören wir immer nur die Schwätzer schwätzen, die anderen schweigen, weil sie genau wissen, daß es nicht viel zu sagen gibt.«

Thomas Bernhard, Ein Kind

Zweifelhafte Annäherung

»Die Sprache ist unbrauchbar, wenn es darum geht, die Wahrheit zu sagen, Mitteilung zu machen, sie läßt dem Schreibenden nur die Annäherung, immer nur die verzweifelte und dadurch auch nur zweifelhafte Annäherung an den Gegenstand, die Sprache gibt nur ein gefälschtes Authentisches wider, das erschreckend Verzerrte, sosehr sich der Schreibende auch bemüht, die Wörter drücken alles zu Boden und verrücken alles und machen die totale Wahrheit auf dem Papier zur Lüge.«

Thomas Bernhard, Die Kälte

Kein Weg

»Jedem anderen, außer mir, wäre er [der Großvater] ein Wegbereiter gewesen, aber ich war niemals ein Mensch für einen Weg. Ich bin keinen Weg gegangen im Grunde, wahrscheinlich, weil ich immer Angst gehabt habe davor, einen dieser endlosen und dadurch sinnlosen Wege zu gehen. Wenn ich wollte, habe ich mir immer gesagt, könnte ich. Aber ich bin nicht gegangen. Bis heute nicht. Es ist etwas geschehen, ich bin älter geworden, ich bin nicht stehengeblieben, aber ich bin auch nicht einen Weg gegangen.«

Thomas Bernhard, Der Keller

Existenzen

»Ich darf nicht leugnen, daß ich auch immer zwei Existenzen geführt habe, eine, die der Wahrheit am nächsten kommt und die als Wirklichkeit zu bezeichnen ich tatsächlich ein Recht habe, und eine gespielte, beide zusammen haben mit der Zeit eine mich am Leben haltende Existenz ergeben, wechselweise ist einmal die eine, einmal die andere beherrschend, aber ich existiere wohlgemerkt beide immer.«

Thomas Bernhard, Der Keller