Verstimmt, weil mich die Umstände zwingen immer konservativer werden zu müssen. Eine Entwicklung, die ich früher gar nicht für möglich gehalten hätte. Langsam schicke ich mich aber darein. Hysterie – auch gut gemeinte – ist nie ein guter Ratgeber. Als gewesener Naturwissenschaftler bevorzuge ich immer noch das wissenschaftliche Arbeiten, also das kritische Auseinandersetzen mit Themen, eine systematische Herangehensweise und klare Definitionen – kurz eine saubere Arbeitsweise. Moralisches Erhabensein an sich ist kein Argument.
Unbehagen
Jahreswechsel
Silvester: Das hirnlose Rumgeballer hat mich immer schon genervt, das wird mit dem Alter nicht besser. Der Lärm, der Gestank, das lächerliche Gehabe der Menschen! Wobei anzumerken ist, dass sich die umliegenden Anwohner recht manierlich verhalten haben. Die Katze hingegen hat sich erst unauffindbar versteckt und mir dann gegen Morgen als unübersehbares Lebenszeichen in die Stube gekotzt.
Was bringt das neue Jahr? Nur Gutes natürlich. Im Ernst, mir geht es gut. Ich bin dankbar für alles. Mit 20 war ich desillusionierter. Mit dem Alter kommt die Milde, die Erfahrung sowieso. Und die Erfahrung zeigt, wenn es am Ende gut werden soll, muss man selbst die Sachen in die Hand nehmen, auch wenn es schwer fällt. Man muss nicht jeden Scheiß mitmachen, nur weil die Gesellschaft der Meinung ist, in diesem oder jenem Lebensabschnitt habe man diese oder jenes zu tun. Man nimmt diese Antragungen zur Kenntnis, nickt freundlich und geht weiter sein eigenes Ding machen.
Cordon sanitaire
Es gibt einen unsichtbaren Kreis um meine Arbeitsstelle. Ich möchte den Radius mit 5 Kilometern angeben. Nähert man sich von außen und überschreitet die Grenze, setzt sofort ein deutliches Unbehagen ein. Dieses Unbehagen steigert sich, je mehr man sich der Arbeitsstelle nähert. Es erreicht seinen Gipfel, wenn man die im Zentrum des Kreises sich befindende Arbeitsstelle erreicht. Dort ist das Unbehagen so groß, dass man schier betäubt davon ist. Und das ist vielleicht das Beste daran.
Mit jedem Meter, den man sich von der Arbeitsstelle entfernt, nimmt das Unbehagen ab. Überschreitet man die unsichtbare Grenze, dessen Radius ich mit 5 Kilometern angebe, ist es verschwunden. Ich bin sehr dankbar dafür, deutlich weiter als diese 5 Kilometer von der Arbeitsstelle entfernt zu wohnen.