Relationen

Vorgestern einen kleinen an der Terrassentür zerschellten Vogel beerdigt, gleich neben Mme. Lilli unter der alten Linde. Gestern die tausendjährige Eibe am steilen Abhang des Lederberges aufgesucht und über die Zeit im Allgemeinen und Lebensspannen im Besonderen sinniert. Heute Vogelschutzaufkleber bestellt.

Alte Zeiten

N. gräbt immer noch im Vorfeld der EUGAL-Trasse nach archäologischen Funden. Einiges aus dem Mesolithikum wurde schon entdeckt und auch ein Siedlungsplatz aus späterer Zeit mit menschlichen Knochenfunden wurde ausgegraben. Das Mysterium der Zeit interessiert mich sehr. Ihr Verrinnen ist beängstigend und tröstlich zugleich.

Zeit

Ich telefoniere ungern. Anrufe vom Typ: »Guten Tag. Ihre Mutter / ihr Vater ist tot. Schönen Tag noch.«, kotzen mich ganz besonders an. Davon gab es in der letzten Zeit deutlich zu viele. Ich bin eher pragmatisch veranlagt, die Emotionen sind hübsch unter Kontrolle aber manchmal toben sie mächtig in ihrem Käfig und rütteln an den Gitterstäben. Nicht weil am Wegesrand hin und wieder ein Toter auftaucht, sondern weil mir die große verdrängte Sanduhr wieder einfällt, die unerbittlich das Verrinnen der Zeit misst. Meine Zeit läuft mir davon, das werde ich eines Tages bitter bereuen. Besser schnell verdrängen den Gedanken.

Zeit

Eine Frau aus dem Krankenhaus zurückbekommen. In ihrem Körper Metastasen so weit das Auge reicht. Es fehlt jeglicher Lebenswille, sie will sterben, sie wird sterben. Ich würde gerne für sie da sein, länger als nur ein paar Minuten, in denen ich ein von Controllern vorgesehenes Programm abspulen muss. Auch wenn ich auf das Programm scheiße und ich es weglasse – niemand, der stirbt, muss gewogen, sein Körper bis in die letzte Ritze inspiziert werden oder muss eine berechnete Menge an Flüssigkeit oder Nahrung zu sich nehmen – habe ich nicht die Zeit für sie, die menschlich angemessen wäre. Man müsste einfach nur da sein, das genügte. Aber das ist zu viel.