Über die Grenze

Bei Hitze verzieh ich mich gern ins Gebirge. Gestern ein Streif durch Zinnwald-Georgenfeld und schließlich nach Böhmisch-Zinnwald hinüber. Die ramponierte katholische Kirche Mariä Himmelfahrt mit verwildertem Friedhof hab ich mir dort angesehen. Schief stehende oder umgefallene Grabsteine, wo noch lesbar meist mit deutschen Inschriften, erinnern an die nahezu rein deutschsprachige Besiedlung jenseits der Grenze bis zur Vertreibung der Sudetendeutschen und der darauf folgenden Zerstörung vieler Dörfer im Kammgebiet auf tschechischer Seite. Berührt mich immer wieder als Nachkomme heimatvertriebener Schlesier väterlicherseits.

Als ich am Straßenrand ein Schild las, hielt neben mir ein bärtiger Motorradfahrer und sprach mich freundlich auf tschechisch an. Leider verstehe ich aufgerundet vielleicht fünf Worte in dieser Sprache, das bemerkte er schnell. Deshalb wechselte er zu englisch, um mir mitzuteilen, dass ich mir keine Sorgen machen solle. Wahrscheinlich nahm er an, ich befürchtete von ihm überfallen zu werden. Das war jedoch gar nicht meine Erwartungshaltung, denn ich wurde noch nie von Motorradfahrern am Straßenrand überfallen. Ich habe eher eine Kommunikationsallergie (völkerübergreifend). Zum Abschied brachte er dann seine ihm bekannten deutschen Wörter zu Anwendung und wünschte mir ein schönes Wochenende.

Rammdösigkeitsantidot

Das kleine Bergstädtchen Geising und den dortigen Friedhof besucht. Zwei ehemalige Bewohner des Pflegeheimes, in dem ich früher gearbeitet habe, sind dieses Jahr verstorben und wurden da begraben. Früher lagen zwischen ihren Zimmern drei weitere Zimmer jetzt liegen zwischen ihren Gräbern drei weitere Grabstellen.

Am nächsten Tag erst die Exulantenkirche, später die kleine Exulantensiedlung Georgenfeld angesehen und schließlich durch des Georgenfelder Hochmoor gewandert. Da war ich seit Kindertagen nicht mehr. Man kann dort oben vom Osterzgebirgskamm weit nach Osten und im Süden bis zu den Kegelbergen des Böhmischen Mittelgebirges schauen.

Rumgeschnüffelt

Raus und durch regennasse Wälder gelaufen. Wunderbare kühle Waldluft oben im Gebirge. Merkwürdige, mir unbekannte Pilze überall, selbst mitten auf dem Weg. Immer weiter gelaufen, der Migräne davon, der Müdigkeit davon, den Schmerzen im ganzen Balg davon. Einem Mann mit zotteligem Hund begegnet, ein paar Radfahrern und Wanderern, zwei Rehen. Dann Schüsse! In der Biathlon-Arena trainierten junge, schöne Frauen wie man auf Scheiben schießt. Ich sah ihnen eine Weile zu.

Auf dem Rückweg noch einmal die ehemalige Grenzzollanlage Zinnwald besichtigt. Dabei so verdächtig verhalten, dass aufmerksame Bürger es für notwendig hielten die Polizei zu rufen. Zwei Bundespolizisten nahmen eine Personenkontrolle vor und fragten, was ich dort tun würde. Der good cop erzählte mir anschließend freundlich, dass die leerstehenden Gebäude schon zweimal ausgeräumt wurden, der bad cop sagte gar nichts, kontrollierte finster meinen Ausweis und telefonierte mit der Zentrale.

Zinnwald

Unterwegs in den Kammlagen des Osterzgebirges. In Zinnwald die monströse und nach wenigen Jahren der Nutzung wieder stillgelegte ehemalige Grenzzollanlage besucht. Zwölf betonierte Hektar. Ein ökologischer Alptraum und auch unter Hochwasserschutzaspekten eine Katastrophe. Nun stehen die meisten der fast noch neuen Gebäude leer und in den Betonfugen wächst das Gras.

Später zu den Lugsteinen gelaufen vorbei am »Lugsteinhof«, früher ein Erholungsheim der Staatssicherheit heute ein Hotel, vorbei an der Wetterstation des DWD, wo der am 12./13. August 2002 bis heute geltende 24h-Niederschlagsrekord von 312 l/m² gemessen wurde und am Georgenfelder Hochmoor. Auf dem Rückweg mein erstes Birkhuhn gesehen.